Vergesellschaftung
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Vergesellschaftung

Kein Meerschweinchen möchte alleine sein,
Meerschweinchen sind sehr soziale Rudeltiere, die alleine ohne andere Meerschweinchen seelisch verkümmern.
Jedes Tier freut sich ungemein, wenn es einen Partner bekommt und wir sichtlich aufblühen vor Glück,
ABER wie in jeder Partnerschaft muss zunächst geklärt werden, wer das Sagen hat, bevor man glücklich und in Frieden bis an sein Ende zusammenleben kann.

Meerschweinchen sind keine zivilisierten Menschen, die eine Rangordnung mit Worten ausdiskutieren. Steinzeitlich, animalisch lassen sie Taten sprechen (ähnlich wie betrunkene Menschenmänner).
Die Rangordnung wird mit Gesten, Zähne klappern, Drohgebärden, Quieken, Quietschen, Jagen, Bespringen, Schnappen, Zwicken, Geme-cker, Herumkugeln, Kung-Fu-Sprüngen, auch Beißen etc ausgehandelt und der Bessere gewinnt.

Die Rangordnung wird umso schneller geklärt, je klarer die Hierarchie von vornherein ist:
Das bedeutet, wenn man ein älteres Tier mit einem jungen Babymeerschweinchen zusammensetzt, dann ist auch den Meerschweinchen klar, dass das Alte das Sagen hat:
Stell Dir vor, Du bist ein kleiner 16jähriger Azubi und kommst in eine Firma und sollst zusammen mit einem 40ig Jährigen in einem Büro arbeiten.
Solange Du „normal“ erzogen worden bist, wirst Du den Älteren als Höhergestellten anerkennen.
So läuft es auch bei Meerschweinchen.

Schwierig ist es wenn man erwachsene Tiere zusammensetzt.
Hier sollte man darauf achten, dass ein Tier domi-nant und dass andere eher zurückhaltend ist.
Wieder stellen wir uns vor: Du bist nun 30 Jahre wechselt den Arbeitsplatz und kommt zu einem ungefähr Gleichalten in sein Büro.
Ihr seid beide erwachsen, habt Berufserfahrung und ihr lasst Euch nicht so einfach unterdrücken.
Nun fängt das Diskutieren an. Hierbei spielt es eine große Rolle, ob Du in das Büro des Alteingesessenen ziehst, dann gibt es eher erbitterte Kämpfe
oder ob ihr beide zusammen ein neues neutrales Büro bekommt (denn Neues schweißt eher zusammen).
Nun kommt auch euer Chef ins Spiel (der in Meerschweinchenfall das 2bein darstellt).
Der Chef könnte natürlich eingreifen und sagen, „Hier Du hast das Sagen“ und z.B. den einen Mitarbeiter bevorzugen und beschützen,
aber das führt zu unterdrückter Wut und mehr Streit und es würde am Ende alles schlimmer werden.
Ein kluger Chef lässt den beiden Mitarbeitern ein neues großes Büro,
stellt Erfrischungen rein und sagt „regelt das unter Euch“ und macht die Tür zu
und lauscht ggf. mal, ob kein Mord- und Totschlag herrscht.
So sieht es auch bei der Zusammenführung von erwachsenen Meerschweinchen aus:

Man gibt den Meerschwein-chen viel Platz auf neutralem Boden
(also entweder im Auslauf oder einem gründlich gereinigtem und umdekorierten Käfig mit viel Lauffläche).
Verteilt viel Futter (Heu) und entfernt alle „Fallen“.
Es darf kein Meerschweinchen in die Enge getrieben werden, demnach müssen alle Häuser, Röhren, Kartons, Spielsachen einen Aus- und Eingang haben.
Neben der Lauffläche, müssen auch viele Verstecke und Fluchtmöglichkeiten da sein.
Nun setzt man die Tiere zusammen und beobachtet.
Relativ schnell wird das Gezeter losgehen.
Sie fangen an mit den Zähen zu klappern, jagen sich, zwicken, jagen
weiter, besteigen sich, zetern rum, klappern, schnappen, jagen weiter,
quietschen, sträuben das Fell, kugeln sich kurz in der Luft, zeigen die Zähne, recken den Kopf, springen in die Luft.
Das ist alles normal. Auch kleine Bisswunden am Ohr z.B. sind normal.

Setzt man Weibchen und Kastraten zusammen, dann wird das Weibchen stundenlang unter unglaublichen Gezeter bestiegen, auch das ist normal.

Wichtig das 2Bein darf NICHT eingreifen. Das Ganze geht erst mal einige Stunden, ist aber ganz natürlich.
Die Meerschweinchen verkraften das übrigens wesentlich besser als so manch zuschauendes 2bein.
Den empfindlichen 2Beiner empfehle ich entweder Rescue-tropfen vor der Zusammenführung für Mensch und Tier oder aber einen Kinoabend zu planen.
Also Tiere zusammensetzen, 30 Minuten zugucken (wenn dann noch kein Blut fließt, geht alles gut) und dann gehen.

Man darf nur eingreifen, wenn die beiden Tiere sich fest ineinander verbeißen und nicht mehr loslassen.
Das passiert innerhalb der ersten Minuten oder gar nicht.
Dann müssen sie getrennt werden. Das kann passieren, wenn man zwei sehr dominante Böcke vergesellschaftet oder ein Weibchen mit Hormonstörungen.

Wenn der erste Tag überstanden ist, ist das Schlimmste geschafft.
Es gibt dann je nach Charakter der Tiere noch 1-2 Wochen lang kleinere und zwischendurch auch mal heftigere Diskussionen und Jagereien, die dazu dienen, die Rangordnung zu festigen.
Dann sollte Frieden herrschen.

Ist nach 2 Wochen keine Ruhe eingekehrt, dann verstehen die Tiere sich entweder nicht (ja das gibt es gelegentlich auch mal, wie man auch nicht mit jedem Arbeitkollegen auskommt) oder aber sie sind anderweitig gestresst durch z.B. zuwenig Platz, Langweile, schlechte Ernährung, Krankheiten und deswegen zankzüchtig.
Hier muss man nach den Ursachen suchen und dementsprechend handeln.
Wenn die Tiere tatsächlich nicht miteinander auskommen, weil z.B. beide dominant sind, dann muss man sie trennen und für jeden einen neuen Partner suchen.



@Petra Lahann (Artikel aus meerschweincheninnot.de / 15.07.2009)
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